Der Prozess ist perfekt ausgearbeitet, wird auch gelebt und alle Beteiligten sind zufrieden. Oder doch nicht? Leider ist hier noch nicht Schluss. Denn jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, sich genau anzuschauen, ob der Prozess auch so durchlaufen wird, wie sich das Unternehmen es sich optimalerweise vorstellt. Vielleicht nutzen die Kunden den Prozess ganz anders als geplant? Oder die eine Abteilung hat ihren eigenen Work-Around eingerichtet?

Um herauszufinden, wie der Prozess tatsächlich gelebt wird, kann Process Mining genutzt werden. Denn wer wissen will, wie leistungsfähig seine aktuellen Prozesse in der Praxis sind, der sollte sich mit Process Mining beschäftigen. Doch was genau ist das eigentlich?

Begriffserklärung

Process Mining ist eine Technologie zur systematischen Analyse und Auswertung von Geschäftsprozessen. Sobald eine Prozessinstanz durchlaufen wird, werden alle wichtigen Transaktionsdaten dazu in einer Log-Datei gespeichert. Welche Daten dann wichtig sind, liegt im Auge der Betrachter:innen. Es können z.B. Informationen über die Dauer der einzelnen Aktivitäten, die gesamte Durchlaufzeit oder der genaue Pfad, den der Anwendende im Prozess durchläuft, interessant sein. Natürlich gibt es hier unzählige Möglichkeiten Prozesse auszuwerten.

Diese Transaktionsdaten von Prozessen werden normalerweise automatisch erstellt und müssen nur noch ausgewertet werden. Dafür gibt es bestimmte Process Mining Software die alle Datensätze analysiert und daraus Grafiken und Statistiken erstellt. Mithilfe dieser Software kann man anschließend ermitteln, wie der Prozess in der Praxis genutzt wird und ob er überhaupt so funktioniert, wie es sich das Unternehmen wünscht.

Funktionsprinzip Process Mining
Funktionsprinzip Process Mining

Beispielsweise kann man bei einem Bestellprozess herausfinden, wie oft die Kunden zu den Angeboten zurückspringen, bevor sie den Kauf abschließen oder wie viele Leute den Newsletter im Verkaufsprozess dazu bestellen oder wie oft Kunden den Kauf nicht abschließen.

Andreas Roth, Trainer der BPM&O Akademie für das Seminar ‚Prozesse digitalisieren und automatisieren‘

Um genau diesen Weg der Kund:innen durch den Prozess zu ermitteln, helfen Prozessschaubilder (1). Dabei werden die verschiedenen Aktivitäten des Prozesses dargestellt und wie oft die Kund:inne bestimmte Pfade des Prozesses genommen haben. Diese Auswertung ist eine Darstellung der Transaktionsdaten, die das Programm vorher als Input erhalten hat.

Aus diesen Daten können viele und aussagekräftige Informationen über den Prozess selbst (Dauer, Effektivität, Störfaktoren) gesammelt werden. Aber auch das Verhalten der Prozessbeteiligten kann genau analysiert werden, wie z.B. wie lange sitzt „Mitarbeiter A“ an seinem Prozessschritt oder wie lange bleibt der Prozess liegen, bis er bei „Mitarbeiter B“ wieder aufgenommen wird? Diese Liegezeiten können in der Perfomanceansicht dargestellt werden. Und besonders lange Verzögerungen oder Engpässe des Prozesses werden rot hervorgehoben (2)

Voraussetzungen

An der rechten Hälfte der BPM&O Prozessmanagement-Brille sieht man, dass Prozesse messen und analysieren die letzten Schritte im Operativen Prozessmanagement sind. Das bedeutet: Process Mining kann direkt zwei wichtige Schritte einer prozessorientierten Organisation abdecken. Damit Process Mining sinnvoll eingesetzt werden kann, muss der zu analysierende Prozess aber auch einige Voraussetzungen erfüllen. Zu diesen Voraussetzungen zählen:

Die Prozesse innerhalb des Unternehmens müssen bekannt, gut strukturiert bzw. modelliert und an jedem Prozessschritt vom IT-System auslesbar sein. Hierbei ist Process Mining von manuellen Vorgängen ausgeschlossen. Sollte also z.B. an einer Stelle des Prozesses noch Mitarbeiter A etwas ausdrucken und es Mitarbeiter B übergeben, funktioniert Process Mining nicht. Alle Schritte müssen digital durchlaufen werden.

Process Mining im OPM-Kreislauf
Process Mining im
OPM-Kreislauf

Ebenfalls führt ein schlecht digitalisierter Prozess, zu falschen Rückschlüssen. Es muss also vorausgesetzt werden, dass die Log-Daten immer einwandfrei ausgegeben werden und die erforderlichen Felder gefüllt sind. Hierzu ist eine gute initiale Programmierung notwendig.

Die Datenmenge sollte ebenfalls sehr groß sein, um zu verhindern dass falsche Rückschlüsse gezogen werden. Größe allein reicht jedoch nicht. Es ist auch wichtig, dass die Daten eine hohe Varianz aufweisen bzw. alle Prozessbeteiligten analysiert werden.
Beispiel: Bei einem Bestellprozess sollten alle Kundengruppen und auch Altersgruppen, analysiert werden, um die Daten bestmöglich auszuwerten. Wer nur Kunden mit einem Macbook und jünger als 30 bewertet, könnte feststellen, dass bei dieser Kundengruppe der Prozess optimal funktioniert. Aber bei einer anderer Altersgruppe oder einem anderen Endgerät kann es sein, dass der Prozess nicht einwandfrei durchlaufen wird.

Herausforderungen

Es kann passieren, dass falsche Rückschlüsse aus den Daten gezogen werden, weil versehentlich nur ein Teil des Ganzen betrachtet wird oder die Daten nicht repräsentativ sind. Deshalb ist die Datenerstellung und die Auswahl der Daten extrem wichtig, um richtigen Entscheidungen zu treffen.

Mit der Möglichkeit Mitarbeitende genau analysieren zu können, z.B. wie lange diese für ihren Prozessschritt brauchen (siehe auch oben), geht natürlich auch eine gewisse Verantwortung einher, dies genau auszuwerten. Die Ergebnisse aus dem Process Mining müssen von den Verantwortlichen durch weitere ergänzende Faktoren bewertet werden. Es kann zum Beispiel noch andere Gründe dafür geben, warum Mitarbeitende A langsamer arbeitet als Mitarbeitende B.

Ebenfalls ist zu bedenken, dass der Prozess niemals perfekt sein wird. Bestimmte Rahmenbedingungen sollten erfüllt sein, so dass der Großteil der Kund:innen einen reibungslosen Ablauf erhält. Wenige Ausnahmen zu perfektionieren kann zu einer Geld- und Zeitverschwendung führen und kaum Mehrwert bringen.

Vorteile:
  • IST-Prozessaufnahme
  • Objektiver Abgleich zwischen IST- und SOLL-Prozess
  • Prozesskennzahlen erheben, visualisieren und analysieren
  • Hilft Optimierungs- und Automatisierungsmöglichkeiten zu erkennen

Nachteile:
  • Event-Logs erforderlich
  • Manuelle Tätigkeiten bleiben unberücksichtigt
  • Was tun bei festgestellten Abweichungen zum IST-Prozess?
  • Lediglich Analysetool, keine Prozessautomatisierung
  • Relativ hoher Einführungsaufwand

Prozesse verknüpfen

Process Mining ist oftmals auf einzelne Prozesse beschränkt und hilft dabei, diese zu analysieren und zu optimieren. Trotzdem ist es auch eine Überlegung wert, verschiedene Prozesse nicht nur isoliert zu betrachten, sondern auch in Zusammenhang zueinander. Schlussendlich sind alle Prozesse immer noch Teil eines Unternehmens. Je besser die Zusammenhänge der einzelnen Prozesse erfasst werden, desto besser kann optimiert werden. Außerdem können eventuell alternative Fehlerquellen gefunden werden, die Einfluss auf den Prozess nehmen.

Durchführung

Ist die Installation der Process Mining Software abgeschlossen bzw. werden alle für das Unternehmen relevanten Log-Daten eines Prozesses durch die Software erfasst, kann entweder auf Knopfdruck eine Analyse durchgeführt werden oder eine regelmäßige Ausführung stattfinden, z.B. 1x im Monat. Es kommt immer auf das jeweilige Process Mining Tool an und welche Funktionen es bietet.

Prinzip der Iteration

Selbstverständlich gilt auch für Process Mining: Einmal ist keinmal. Es reicht also nicht, das Process Mining einmal auszuführen, selbst wenn dabei ein langer Zeitraum berücksichtigt wird. Da das Unternehmensumfeld und damit auch die Kundenanforderungen sehr dynamisch sind, muss auch der Prozess sich diesen Rahmenbedingungen anpassen. Das bedeutet, dass der Prozess in regelmäßigen Abständen analysiert und optimiert werden sollte. Dadurch können Fehler vormieden werden und die Möglichkeit auf einen verbesserten Prozess steigt. Damit steigt auch die Kundenzufriedenheit, da Abläufe schneller und zuverlässiger sind und es seltener zu Problemen kommt. Durch Process Mining kann also auch die Kundenzufriedenheit steigen und damit entfallen entsprechende Reklamationskosten.

Prinzip der Iteration
Prinzip der Iteration
Einteilung Process Mining Tools

Diese Übersicht listet eine Auswahl an RPA Tools auf und teilt sie in Open Source, Lightweight, Mid-range und Heavyweight ein. Um das geeignete Process Mining Tool zu finden, sollten verschiedene Faktoren berücksichtigt werden, wie zum Beispiel die Menge der zu analysierenden Prozesse, die Anzahl an Prozessdurchläufen und die Anforderungen und Rahmenbedingungen im Unternehmen.


Sie möchten Process Mining in ihrem Unternehmen einführen? Sie überlegen noch, welche Process Mining Software für Sie in Frage kommt? Wir helfen Ihnen gerne dabei.

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